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Mittwoch, 16. Februar 2011

Strasse ins Licht am Ende des Tunnels


Von Michael Gurtner / Berner Zeitung


Und tschüss: Einst mit seinem Debüt zum Dancemusic-Messias hochgejubelt, verabschiedet sich Mike Skinner jetzt von seinem Projekt The Streets. «Computers and Blues» ist ein Schwanengesang, der mal gewaltig berührt, mal gehörig nervt – und mit dem der Brite im Sommer ans Gurtenfestival kommt.

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«The Streets ist die Zukunft der Dance Music.» (Musikmagazin «New Musical Express», 2002)

«Ich habe die Nase voll von The Streets.» (Mike Skinner, The Streets, 2008).

Sechs Jahre liegen zwischen diesen beiden Aussagen. Sechs Jahre, in denen Michael Geoffrey Skinner vom unbekannten, bleichgesichtigen Jüngling zum Dancemusic-Messias hochgejubelt wurde. In denen er zuerst von Kritikern Lorbeeren erntete – und dann deren Prügel einstecken musste, als er sein Markenzeichen, die realistischen Erzählungen über den Lebensstil britischer Jugendlicher, für sein drittes Album mit Betrachtungen über das Berühmtsein ersetzte. Sechs Jahre, in denen Mike Skinner vier Platten in den Top Ten der britischen Albumcharts platzierte. Und irgendwann war für den heute 32-Jährigen aus Birmingham klar: The Streets wird zur Sackgasse. Also beschloss er, noch ein letztes Streets-Album aufzunehmen. «Es heisst ‹Computers and Blues›, und es handelt vom Tanzen und Müll-Reden», kündigte Skinner an.

Am Puls seiner Generation

Natürlich ist das weniger als die halbe Wahrheit. Mike Skinner hatte zwar stets eine grosse Klappe, schliesslich wurde er mit seinem schnoddrigen Sprechgesang weltberühmt. Aber da war immer mehr als bloss warme Luft, wie sie allzu viele Rapper mit Vorliebe produzieren. Mike Skinner redet nicht Müll. Mike Skinner hat was zu sagen. Auf seinem stupenden Debüt «Original Pirate Material» schilderte er über UK-Garage-Beats die Befindlichkeiten seiner Generation zwischen «Too much Brandy» und gescheiterten Beziehungen («It’s too Late»). Das Cover des ersten Albums zierte ein anonymer Vorstadt-Häuserblock mit einzelnen beleuchteten Fenstern – ein Symbol für die Gleichförmigkeit des Alltags und den Wunsch, daraus auszubrechen. Auf dem neuen, letzten Album nimmt der Brite den Faden auf: Diesmal ist der Wohnblock zwar etwas schicker, aber nicht weniger anonym. Nur zwei Fenster sind rot beleuchtet, hinter dem einen steht eine einsame Person.

Pixel auf dem Ultraschallbild

Alles mehr oder weniger wie gehabt also? Mitnichten. Zwar spielen Beziehungen noch immer eine wichtige Rolle – etwa in der Facebook-Romanze «OMG». Aber es kommen persönliche Erfahrungen aus den letzten Jahren hinzu, die Mike Skinner nachhaltig geprägt haben. Am eindrücklichsten und eindringlichsten im Song «Blip on a Screen», einer Ode an sein ungeborenes Kind. Dieses zeigt sich erst als «100 Pixel auf einem Ultraschallbild» – und lässt den Vater doch bereits grübeln, was dereinst aus ihm werden wird. Da schleicht sich eine berührende Melancholie zu Hip-Hop-Beats und Sprechgesang – und der Zuhörer wird schwach. Stark! «Trying to Kill M.E.» erzählt von Skinners Kampf gegen das Chronische Erschöpfungssyndrom, das ihn 2009 heimsuchte: «For this chronic fatigue, there’s no tonic it seems» («Für diese chronische Erschöpfung scheint es kein Stärkungsmittel zu geben»), reimt der 32-Jährige. Es sind die intimsten und besten Momente von «Computers and Blues». Ganz anders der CD-Auftakt mit Computergefiepe, Bläsersamples und schleppenden Beats: «Outside Inside» bleibt skizzenhaft, ist repetitiv bis zur Langeweile.

Nervig und frenetisch

Schlimmer noch: «Roof of Your Car» zerrt mit Autotune-Stimmverfremdungen an den Nerven. Versöhnlich stimmen dafür die Discogrooves und gewitzten Verse von «Puzzled by People» («You can’t google the solutions to people’s feelings») und die Stromgitarrenriffs im frenetischen «Going Through Hell», wo Mike Skinner beteuert: «Am Ende des Tunnels ist immer Licht.» Das gilt auch für das Ende der Streets. Und nach der letzten Tour, die ihn im Juli ans Gurtenfestival führt, ist Skinner frei, neue Strassen zu beschreiten. Man darf gespannt sein.

The Streets: «Computers and Blues» (679/Warner).

Originaltext: Berner Zeitung

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