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Donnerstag, 30. September 2010

Erschöpfungssyndrom wird nur selten erkannt


© ZDF

CFS
Sich kaum auf den Beinen halten können vor Müdigkeit - dieses Gefühl kennt wohl jeder. Aber nach einer Nacht erholsamen Schlafes ist man in der Regel wieder fit. Es gibt jedoch Menschen, die fühlen sich jeden Tag so erschöpft, egal, wie lange sie schlafen. Ihr Zustand bessert sich nicht. Dahinter steckt das chronische Erschöpfungssyndrom, kurz CFS.
Obwohl in Deutschland schätzungsweise 300.000 Menschen am chronischen Erschöpfungssyndrom leiden, ist diese Erkrankung hierzulande noch relativ unbekannt. CFS wird häufig als "Modekrankheit" bezeichnet oder als rein psychische Erkrankung (beispielsweise Burnout oder Depression) verkannt, obwohl internationale Studien dies klar widerlegt haben.

Mysteriöser Auslöser

Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Eine Rolle könnten jedoch bestimmte Virusinfektionen spielen. Dazu gehören allen voran das Epstein-Barr-Virus (EBV), aber auch bakterielle Infektionen, Umweltbelastungen (beispielsweise bestimmte Chemikalien wie Holzschutzmittel, Pestizide oder Desinfektionsmittel) und posttraumatische Belastungen. Auch Gendefekte wurden bereits von Medizinern in Erwägung gezogen. Eine weitere Variante wäre ein fehlgesteuertes Immunsystem, dass Infekte nicht angemessen in Schach halten kann.
Das CFS-Hauptsymptom ist eine extreme chronische Erschöpfung, die über mindestens sechs Monate andauert und von den Betroffenen als besonders schwer und lähmend beschrieben wird. Charakteristisch ist, dass Ruhe keine Verbesserung des Zustands bringt. Die Betroffenen können meist ihren alltäglichen Tätigkeiten nicht mehr nachkommen; viele verbringen den größten Teil des Tages im Bett.
 

Wie lässt sich CFS diagnostizieren?

Der Krankheitsverlauf kann nicht vorhergesagt werden. Er ist bei dem größten Teil der Patienten schwankend und durch abwechselnde Phasen der Verbesserung und der Rückfälle gekennzeichnet. Bei ihnen kommt es erst nach langer Zeit zu einer Stabilisierung oder dauerhaften Verbesserung des Krankheitsbildes. Es gibt allerdings auch Patienten, die sich wieder weitgehend oder sogar ganz erholen. Manche Betroffene bleiben jedoch ihr Leben lang schwer krank und sind im schlimmsten Fall auf den Rollstuhl angewiesen oder dauerhaft ans Bett gefesselt.
Da die Symptome des CFS auch bei anderen Erkrankungen auftreten können (zum Beispiel bei Schilddrüsenerkrankungen, Krebserkrankungen, Multiple Sklerose, Lebererkrankungen und psychischen Störungen), müssen diese zunächst ausgeschlossen werden. Liegen keine anderen Erkrankungen vor und dauert die Erschöpfung seit mindestens sechs Monaten an, kann die Diagnose CFS gestellt werden. Einen spezifischen Test für CFS gibt es bisher nicht.
 

Mit der Energie haushalten

Die Behandlung von CFS ist schwierig und vor allem abhängig von der Ursache. Die Therapie umfasst vor allem eine Linderung der Symptome sowie die Verbesserung der Lebensqualität. Die Hauptsäule der CFS-Therapie ist aber das so genannte Pacing, eine Art "Energiemanagement". Durch dieses sollen die Betroffenen lernen, besser mit der Erkrankung umzugehen.
Anhand eines selbst aufgestellten Zeitplans, der immer wieder neu der aktuellen Verfassung angepasst wird, sollen die Patienten ihre verbliebenen Kraftreserven so einteilen, dass sie sich körperlich und geistig nicht überfordern. In den meisten Fällen bessert sich die Symptomatik durch ein konsequentes Pacing und die Zahl und Schwere der Rückfälle reduzieren sich.

© ZDF 2010

RTL Regional vom 24.09.2008

Danke an Martina


Egal wie viel Ralf Schröder schläft, fit fühlt er sich nie.

Seit fünf Jahren leidet der 40-Jährige unter der Krankheit CFS, dem chronischen Erschöpfungssyndrom. „Ich musste meinen Job aufgeben und habe dadurch meine Lebensfreude verloren“, sagt der ehemalige Unternehmer. Die unerträglichen Schmerzen hält Ralf nur mit starken Malariamitteln und Cortison aus.Die Ärzte stehen vor einem Rätsel und eine Heilung von CFS wurde bisher noch nicht entdeckt.

RTL Regional vom 08.08.2008

Danke an Martina

Mittwoch, 29. September 2010

Freitag, 24. September 2010

Schnarchen unter Aufsicht

Die Medizin hat sich des Schlafs bemächtigt, ihn in seine Bestandteile zerlegt und pathologisiert. Verkabelt, mit Masken und Tabletten sollen die Menschen endlich Ruhe finden.

Der Nachtdienst in der Klinik war ruhig verlaufen. Die junge Schwester wollte sich gerade ausruhen, da fiel ihr ein, dass sie etwas vergessen hatte. Sie musste noch in Zimmer sieben, es war zwei Uhr nachts. "Aufwachen, Frau Schneider, sie müssen noch ihr Schlafmittel nehmen." Bei dieser Anekdote handelt es sich nicht um eine urbane Legende, gelegentlich kommt es vor, dass Patienten in Krankenhäusern aus dem Schlaf gerissen werden, um pünktlich ihr Schlafmittel zu nehmen. So steht es schließlich als ärztliche Anweisung in der Kurve. Und in der Klinik muss der Schlaf nun mal medizinisch kontrolliert, überwacht und gegebenenfalls geregelt werden.

Die Medizin hat sich des Schlafs bemächtigt und einen Jahrtausende lang als selbstverständlich betrachteten Vorgang in seine Bestandteile zerlegt und pathologisiert. Es gab schon immer Kinder, die schlecht in den Schlaf fanden oder die häufig nachts wach wurden. Seit ein paar Jahren spezialisieren sich überall im Land Kinderärzte auf junge Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen.

Die Ärzte Steven Woloshin und Lisa Schwartz von der Dartmouth Medical School haben gezeigt, wie das Restless-Legs-Syndrom als bedrohliche und immer häufiger werdende Krankheit vermarktet wird. Seit 2003 will die Pharmafirma GlaxoSmithKline bei Ärzten wie Laien Aufmerksamkeit für das Leiden wecken, bei dem Patienten keine Ruhe finden, weil ihre Beine zucken oder jucken. Zunächst gab es übertriebene Presseerklärungen von Neurologenkongressen zu Erfolgen mit der Arznei Ropinirol.

Dann informierte die Firma über die "unterschätzte Krankheit, die Amerika nachts wachhält". 2005 ließ die amerikanische Arzneibehörde FDA das Mittel zu. "Seither wurden Millionen ausgegeben, um das Syndrom in das Bewusstsein von Ärzten wie Konsumenten zu bringen", sagt Woloshin. Auch in Deutschland wurden in Fachblättern Schätzungen veröffentlicht, wonach Millionen an den Zappelbeinen leiden würden.

Parallel zu den ruhelosen Beinen in dunklen Stunden machte das Chronische Erschöpfungssyndrom Karriere. Passend zur Schlaflosigkeit in der Nacht gab es nun die medizinisch legitimierte Erschöpfung am Tag. Das Wort "Fatigue", das mehr bedeuten soll als bloße Müdigkeit, kam in Mode. In einer Gesellschaft, die sich freiwillig den Schlaf entzieht, durch Schichtarbeit und Jet-Lag mutwillig physiologische Rhythmen der Menschen sabotiert, fanden diese Ruhestörungen schnell Anerkennung.

Und in der Medizin taten sich neue Forschungsfelder auf, es gab zusätzliche Stellen und mehr Geld. Jede Uniklinik und viele andere Krankenhäuser verfügen heute über hochgerüstete Schlaflabore, in denen verkabelt und unter Videoaufsicht geschlafen wird, um Stoffwechsel, Atemfrequenz, REM-Phasen und Körperemissionen der Probanden in der Hitze der Nacht zu bestimmen.

Regelmäßig finden üppig finanzierte Schlafkongresse statt, manche Ärzte begründen Schlafkampagnen und beraten Bettenhäuser; der freundliche Regensburger Psychologe Jürgen Zulley gilt sogar als "Schlafpapst".

Gleichzeitig wurden die bedrohlichen Folgen des Schlafmangels ausgemalt. Zu wenig Schlaf schwächt Immunabwehr, Wundheilung und Gedächtnis, macht anfällig für verstopfte Gefäße und gestörte Verdauung. Schlafmangel macht angeblich sogar dick - Bücher mit dem absurden Versprechen "Schlank im Schlaf" wurden zu Bestsellern.

Die Diagnose Schlaf-Apnoe hat besonders rasant Karriere gemacht. Bezeichnet werden damit gelegentliche Atemaussetzer, die in seltenen Fällen tatsächlich gefährlich werden können. Bis zu eine Million Menschen sollen in Deutschland betroffen sein.

Würde man alle Bundesbürger im Schlaflabor testen - ein Traum jedes Schlafforschers -, kämen wohl bei jedem beleibten Menschen ab dem 50. Geburtstag Warnhinweise auf Schlaf-Apnoe oder gar manifeste Symptome zum Vorschein. Die Industrie hält zur Vorbeugung und Therapie formschöne Masken bereit, die ins Gesicht geschnallt werden und das kontrollierte Atmen bei leichtem Überdruck in der Nacht ermöglichen sollen - aber ihren Trägern vermutlich erst recht die Nachtruhe rauben.

"Disease Mongering" wird das Erfinden und Verkaufen von Krankheiten im Englischen genannt. Mongering bedeutet Handeln, Schachern und dabei einschüchtern - bei dem im Deutschen üblichen Wort Medikalisierung schwingt dieser Aspekt weniger mit. Um immer mehr Bereiche des körperlichen, psychischen und sozialen Erlebens als kontroll- und therapiebedürftig zu erklären, müssen Risikofaktoren benannt werden.

Eine Schwankung des Befindens wird so schnell zu einem Leiden, das behandelt werden muss. Der Alltag steht unter permanenter Selbst- und Fremdbeobachtung. "Man versucht Leute, denen es gut geht, davon zu überzeugen, dass sie krank sind - oder leicht Kranke, dass sie schwer krank sind", so die Formel der inzwischen verstorbenen Medizinkritikerin Lynn Payer.

Typischerweise werden dazu normale Körpererfahrungen als krankhaft gedeutet - oder die Definition einer Krankheit wird ausgeweitet, bis milde und sogar beschwerdefreie Verläufe als "Prä-Erkrankung" gelten. Die Abgrenzung zwischen krankhaft und tolerabel ist ein Problem vieler Schlafstörungen. Natürlich gibt es Menschen, die so stark an ruhelosen Beinen, Erschöpfung oder Atemstillständen leiden, dass eine Therapie nicht nur hilfreich, sondern nötig ist. Doch die aggressiven Marketingkampagnen für die neuen Leiden am Schlaf haben dazu geführt, dass mittlerweile jeder unrhythmische Schnarcher als krankhaft gilt.

Immerhin steigt der Gebrauch von Schlafmitteln nicht mehr. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass "keine der pharmakologischen Hilfen einen physiologischen Schlaf nachahmen oder induzieren kann", wie der Heidelberger Pharmakologe Björn Lemmer schrieb. Dafür kann man als Nebenwirkung müde, vergesslich und abhängig werden. Statt Schlafregeln zu folgen oder ihn herbei zu zwingen, sollte man seine eigenen Zeiten finden. Er müssen ja nicht die Napoleons sein: "Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau und sechs ein Idiot", sagte der Kaiser.

© www.sueddeutsche.de

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